Montag, 10. Oktober 2011

Die Grenzen der Altersweisheit

Zur Rede von Helmut Schmidt am 11.1.2011 auf der Jubiläumsfeier zum 100. Geburtstag der Max-Planck-Gesellschaft.


Helmut hat sich, schon vor ein paar Jahren und natürlich nur in meinen Augen, in Grenzen rehabilitiert.
Nachdem ich ihn lange für ein normal-machtgeiles-kleines-Arschloch hielt, sehe ich ihn heute
als uneitlen Denker mit beachtlichem, aber leider nicht grenzenlosem Überblick.

In seiner Rede beschäftigt er sich mit vielen wesentlichen Problemen im Heute und in der Zukunft. Das in einer Weise die, angesichts der Kaste der er entstammt, nur defätistisch zu nennen ist: fein Helmut.
Leider gelingt es ihm nicht alle Grenzen seiner Herkunft zur Debatte zu stellen. An einer schlechten Sozialisation hat man halt lange zu knapsen: wir hatten es alle nicht immer ganz leicht.
Zwar erkennt er die nicht existente, verbindliche Ordnung der Weltmärkte – rechnet auch mit weiteren Wirtschaftskrisen – ist aber blind für die tieferen Ursachen.
Er fordert: „... eine Erforschung der religiösen, der philosophischen und der ethisch- moralischen Gemeinsamkeiten“ der Menschheit. Dabei macht ihn seine Sichtweise der Wissenschaft als „…der sozialen Verantwortung verpflichteten Erkenntnissuche!“ unfähig
die realen Antriebskräfte des wissenschaftlichen Betriebes zu entdecken.
Er enttarnt sich als Idealist.
Er glaubt noch immer an den Scheiß den er lange zu verantworten hatte.
Er ist ein Gläubiger: das behindert Denken.

Zügig rennt er in die Sackgasse „des ökonomischen Wachstums“ und verwechselt Fortschritt
mit Zivilisationstechnologie.
Zwar entdeckt er in der Wissenschaft der Ökonomie die Zuchtanstalt „bonifikationsgeiler Investmentbanker“, übersieht jedoch wie weit dieses Religionsderivat bereits in jeden Winkel dieser Welt gekrochen ist.
Zwar entdeckt er die Visionsfreiheit der Wissenschaft auf dem Gebiet gesellschaftlicher Konstruktionen, offenbart aber gleichzeitig seine Gläubigkeit an ihre Effizienz.
Er fordert eine Mitverantwortung der Wissenschaft, entdeckt auch die Anwendungsorientierung derselben, übersieht aber gern die ausschließlich wirtschaftliche Ausrichtung. Verwechselt hier also wirtschaftlichen Erfolg mit menschlichem Nutzen.
Einer wirklichen Verantwortung für das Gemeinwohl darf ein solcher Irrtum nicht unterlaufen.
Mensch, Helmut! Deine Altersweisheit ist eine begrenzte.

Wer, außer dem Kapital, hat die die Forderung nach Freiheit und Gleichheit der französischen Revolution (und die ist verdammt lang her) verwirklicht?
Ist Kapitalismus als Antrieb menschlicher Kreativität der Stein der Weisen?
Kann es ein Fortschritt sein, wenn wir Negersklaven durch chinesische Wanderarbeiter ersetzen, damit wir uns einen Arsch anfressen können den wir dann dank Psychopharmaka ignorieren können? Funktioniert menschliche Entwicklung derart?

Wenn es wirklich „um Weitsicht, um Urteilskraft im Blick auf die ungewollten, zugleich aber immer möglichen (in meinen Augen existenten) Folgewirkungen“ geht müssen viele `Goldene Kälber` ab in die Tonne. Frag mal deinen Arzt oder den Apotheker.

Wenn Enzensberger vom “Wasser im Ballsaal“ spricht, hast du wohl schon Gummistiefel an?